Bhagavad Gita Wie Sie Ist
Originale Version 1. Auflage 1974 Schloß Rettershof Uhrzeit:
Bhagavad-gītā Wie Sie ist

Siebzehntes Kapitel
Die verschiedenen Arten des Glaubens

SIEBZEHNTES KAPITEL

Krishna-Arjuna

Die verschiedenen Arten des Glaubens

VERS 1

अर्जुन उवाच ।
ये शास्त्रविधिमुत्सृज्य यजन्ते श्रद्धयान्विताः ।
तेषां निष्ठा तु का कृष्ण सत्त्वमाहो रजस्तमः ॥१॥

arjuna uvāca
ye śāstra-vidhim utsṛjya
yajante śraddhayānvitāḥ

teṣāṁ niṣṭhā tu kā kṛṣṇa
sattvam āho rajas tamaḥ

arjunaḥ uvāca – Arjuna sagte; ye – diejenigen; śāstra-vidhim – die Regulierungen der Schrift; utsṛjya – aufgeben; yajante – verehrt; śraddhayā – fester Glaube; anvitāḥ – versehen mit; teṣām – von ihnen; niṣṭhā – Glaube; tu – aber; – was ist das; kṛṣṇa – O Kṛṣṇa; sattvam – in Reinheit; āho – gesagt; rajaḥ – in Leidenschaft; tamaḥ – in Unwissenheit.

ÜBERSETZUNG

Arjuna sagte: O Kṛṣṇa, wie verhält es sich mit einem Menschen, der die Prinzipien der Schriften nicht befolgt, sondern nach eigenen Vorstellungen Verehrung ausführt? Befindet er sich in Reinheit, Leidenschaft oder Unwissenheit?

ERKLÄRUNG

Im neununddreißigsten Vers des Vierten Kapitels wird gesagt, daß ein Mensch, der sein Vertrauen in eine bestimmte Art der Verehrung setzt, allmählich zur Stufe des Wissens erhoben wird und die am höchsten vervollkommnete Stufe des Friedens und Wohlstands erreicht. Die Schlußfolgerung, die im Sechzehnten Kapitel gezogen wurde, lautet: wer nicht den Prinzipien folgt, die in den Schriften niedergelegt sind, wird asura (Dämon) genannt, und wer mit Vertrauen den Anweisungen der Schriften folgt, wird deva (Halbgott) genannt. Wie verhält es sich nun mit einem Menschen, der gläubig Regeln befolgt, die nicht in den Anweisungen der Schriften erwähnt werden? Dieser Zweifel muß von Kṛṣṇa geklärt werden. Befindet sich die Verehrung derer, die irgendeinen Menschen zu Gott machen, in der Erscheinungsweise der Reinheit, Leidenschaft oder Unwissenheit? Erreichen solche Menschen die Vollkommenheit? Ist es ihnen möglich, auf diese Weise in wahrem Wissen verankert zu werden und sich zur am höchsten vervollkommneten Stufe des Lebens zu erheben? Haben diejenigen Erfolg in ihren Bemühungen, die nicht den Regeln und Regulierungen der Schriften folgen, sondern an ein Hirngespinst glauben und Götter, Halbgötter und Menschen verehren? Arjuna stellt Kṛṣṇa diese Fragen.

VERS 2

श्रीभगवानुवाच ।
त्रिविधा भवति श्रद्धा देहिनां सा स्वभावजा ।
सात्त्विकी राजसी चैव तामसी चेति तां शृणु ॥२॥

śrī bhagavān uvāca
tri-vidhā bhavati śraddhā
dehināṁ sā svabhāva-jā

sāttvikī rājasī caiva
tāmasī ceti tāṁ śṛṇu

śrī bhagavān uvāca – der Höchste Persönliche Gott sagte; tri-vidhā – drei Arten; bhavatī – werden; śraddhā – Glaube; dehinām – der Verkörperten; – dies; sva-bhāva-jā – in Übereinstimmung mit der Erscheinungsweise der Natur, die sie angenommen hat; sāttvikī – Erscheinungsweise der Reinheit; rājasī – Erscheinungsweise der Leidenschaft; ca – auch; eva – gewiß; tāmasī – Erscheinungsweise der Unwissenheit; ca – und; iti – somit; tām – dies; sṛṇu – vernimm von Mir.

ÜBERSETZUNG

Der Höchste Herr sagte: In Entsprechung zu den Erscheinungsweisen der Natur, die von der verkörperten Seele angenommen werden, kann ihr Glaube von dreierlei Art sein – von Reinheit, Leidenschaft oder Unwissenheit. Höre nun hiervon.

ERKLÄRUNG

Diejenigen, die zwar die Regeln und Regulierungen der Schriften kennen, aber aus Faulheit oder Trägheit diese Vorschriften nicht beachten, werden von den Erscheinungsweisen der materiellen Natur beherrscht. Je nach ihren früheren Aktivitäten in den Erscheinungsweisen der Reinheit, Leidenschaft oder Unwissenheit nehmen sie eine bestimmte Wesensart an. Seitdem das Lebewesen mit der materiellen Natur in Berührung ist, ist es ständig mit den verschiedenen Erscheinungsweisen der materiellen Natur zusammengewesen. Je nachdem, mit welchen materiellen Erscheinungsweisen das Lebewesen Kontakt hat, nimmt es verschiedenartige Mentalitäten an. Doch diese Mentalität kann verändert werden, wenn man mit einem echten geistigen Meister zusammenkommt und sich nach seinen Regeln und den Unterweisungen der Schriften richtet. Dann kann man sich allmählich vom Zustand der Unwissenheit oder Leidenschaft zur Stufe der Reinheit erheben. Die Schlußfolgerung lautet, daß blinder Glaube in einer bestimmten Erscheinungsweise einem Menschen nicht helfen kann, auf die Stufe der Vollkommenheit erhoben zu werden. Man muß mit Sorgfalt und Intelligenz in der Gemeinschaft eines echten geistigen Meisters Betrachtungen anstellen. Auf diese Weise kann man sich zu einer höheren Erscheinungsweise der Natur erheben.

VERS 3

सत्त्वानुरूपा सर्वस्य श्रद्धा भवति भारत ।
श्रद्धामयोऽयं पुरुषो यो यच्छ्रद्धः स एव सः ॥३॥

sattvānurūpā sarvasya
śraddhā bhavati bhārata

śraddhāmayo ’yaṁ puruṣo
yo yac-chraddhaḥ sa eva saḥ

sattva-anurūpā – in Übereinstimmung mit der Existenz; sarvasya – eines jeden; śraddhā – Glaube; bhavati – wird; bhārata – O Sohn Bhāratas; śraddhā – Glaube; mayaḥ – völlig; ayam – dies; puruṣaḥ – Lebewesen; yaḥ – jeder; yat – dies; śraddhaḥ – Glaube; saḥ – diese; eva – gewiß; saḥ – er.

ÜBERSETZUNG

Je nach dem Leben, das man unter dem Einfluß der verschiedenen Erscheinungsweisen der Natur führt, entwickelt man eine bestimmte Art des Glaubens. Man sagt, das Lebewesen habe je nach den Erscheinungsweisen, die es angenommen habe, einen bestimmten Glauben.

ERKLÄRUNG

Jeder hat eine bestimmte Art des Glaubens – ganz gleich in welcher Position er sich befindet. Der Mentalität entsprechend, die ein Mensch entwickelt hat, gilt sein Glaube als gut, leidenschaftlich oder unwissend. Daraus folgt, daß man in Entsprechung zu der bestimmten Art des Glaubens mit bestimmten Menschen verkehrt. In Wirklichkeit aber ist jedes Lebewesen, wie im Fünfzehnten Kapitel erklärt wird, ursprünglich ein fragmentarisches Bestandteil des Höchsten Herrn. Ursprünglich ist man daher transzendental zu allen Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Doch wenn man seine Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott vergißt und im bedingten Leben mit der materiellen Natur in Kontakt kommt, schafft man sich durch die Verbindung mit den unterschiedlichen Mannigfaltigkeiten der materiellen Natur seine eigene Position. Die sich daraus ergebene künstliche Existenz und der dazugehörende Glaube sind materiell. Obwohl man von irgendeiner Vorstellung oder Lebensauffassung geführt werden mag, ist man dennoch ursprünglich nīrguṇa (transzendental). Daher muß man, um seine Beziehung zum Höchsten Herrn wiederzugewinnen, von dem angesammelten materiellen Schmutz gereinigt werden. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist der einzige angstfreie Weg, der zu Gott zurückführt. Wenn man im Kṛṣṇa-Bewußtsein verankert ist, befindet man sich mit Sicherheit auf dem Pfad, der zur Erhebung auf die vollkommene Stufe führt. Wenn man sich diesem Pfad der Selbstverwirklichung jedoch nicht zuwendet, wird man zweifellos von den Erscheinungsweisen der Natur gelenkt werden.

Das Wort śraddhā (Glaube) ist in diesem Vers sehr bedeutsam. Glaube entsteht immer aus Handlungen in Reinheit. Ein Mensch kann entweder an einen Halbgott, einen selbstgemachten Gott oder an ein Hirngespinst glauben. Man sagt, es sei der unerschütterliche Glaube an etwas, der Handlungen in materieller Reinheit hervorbringe. Doch im bedingten materiellen Leben sind keine Handlungen der materiellen Natur völlig rein. Sie sind vermischt. Sie befinden sich nicht in unverfälschter Reinheit. Unverfälschte Reinheit ist transzendental, und nur in unverfälschter Reinheit kann man das wirkliche Wesen des Höchsten Persönlichen Gottes verstehen. Solange sich der Glaube eines Menschen nicht vollständig in unverfälschter Reinheit befindet, ist dieser Glaube der Verunreinigung durch eine der Erscheinungsweisen der materiellen Natur ausgesetzt. Die verunreinigten Erscheinungsweisen der materiellen Natur erstrecken sich bis zum Herzen. Daher richtet sich der Glaube eines Lebewesens danach, welche Erscheinungsweise der materiellen Natur das Herz beeinflußt. Wenn sich das Herz in der Erscheinungsweise der Reinheit befindet, ist auch der Glaube in der Erscheinungsweise der Reinheit. Wenn sich das Herz in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befindet, ist der Glaube ebenfalls in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Und wenn sich das Herz in der Erscheinungsweise der Dunkelheit, in Illusion, befindet, ist der Glaube ebenfalls in dieser Weise verunreinigt. Somit finden wir in der materiellen Welt verschiedene Arten des Glaubens, und aufgrund dieser unterschiedlichen Glaubensarten gibt es verschiedene Formen der Religion. Wahre Religion befindet sich in der Erscheinungsweise der unverfälschten Reinheit, aber weil das Herz vergiftet ist, gibt es verschiedene Arten von religiösen Prinzipien. Somit gibt es entsprechend den unterschiedlichen Glaubensrichtungen verschiedene Methoden der Verehrung.

VERS 4

यजन्ते सात्त्विका देवान्यक्षरक्षांसि राजसाः ।
प्रेतान्भूतगणांश्चान्ये यजन्ते तामसा जनाः ॥४॥

yajante sāttvikā devān
yakṣa-rakṣāṁsi rājasāḥ

pretān bhūta-gaṇāṁś cānye
yajante tāmasā janāḥ

yajante – verehren; sāttvikāḥ – diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden; devān – die Halbgötter; yakṣa-rakṣāṁsi rājasāḥ – diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, verehren die Dämonen; pretān – die toten Gespenster; bhūta-gaṇān – Geister; ca anye – und andere; yajante – verehren; tāmasāḥ – in der Erscheinungsweise der Unwissenheit; janāḥ – Menschen.

ÜBERSETZUNG

Menschen in der Erscheinungsweise der Reinheit verehren die Halbgötter; diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, verehren die Dämonen, und diejenigen, die in Unwissenheit sind, verehren Geister und Gespenster.

ERKLÄRUNG

In diesem Vers beschreibt der Höchste Persönliche Gott verschiedene Arten von Verehrern im Hinblick auf ihre äußeren Aktivitäten. Nach den Anweisungen der Schriften ist allein der Höchste Persönliche Gott der Verehrung würdig. Aber diejenigen, die mit den Unterweisungen der Schriften nicht sehr vertraut sind oder nicht an sie glauben, verehren je nach ihrer Position in den Erscheinungsweisen der materiellen Natur andere Lebewesen. Diejenigen, die sich in Reinheit befinden, verehren im allgemeinen die Halbgötter. Zu den Halbgöttern zählen Brahmā, Śiva und andere wie Indra, Candra und der Sonnengott. Es gibt sehr viele Halbgötter. Diejenigen, die sich in Reinheit befinden, verehren aus einem bestimmten Motiv heraus einen bestimmten Halbgott. In ähnlicher Weise verehren diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, die Dämonen. Während des Zweiten Weltkrieges verehrte ein Mann in Kalkutta Hitler, weil er Dank des Krieges durch Geschäfte auf dem Schwarzmarkt sehr viel Reichtum anhäufen konnte. In ähnlicher Weise wählen sich diejenigen, die sich in den Erscheinungsweisen der Unwissenheit und Leidenschaft befinden, einen mächtigen Menschen und vergöttern ihn. Sie glauben, jeder könne als Gott verehrt werden, denn man erhalte das gleiche Ergebnis. In diesem Vers nun wird unmißverständlich gesagt, daß diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden, ihre eigenen Götter fabrizieren und verehren, und daß diejenigen, die sich in Unwissenheit bzw. Dunkelheit befinden, die Geister der Toten verehren. Manchmal verehren Menschen auch das Grabmal eines Verstorbenen. Prostitution befindet sich ebenfalls in der Erscheinungsweise der Dunkelheit. In manchen abgelegenen Dörfern Indiens gibt es Menschen, die Gespenster verehren. Es ist bekannt, daß in Indien manchmal Menschen der niederen Klasse in den Wald gehen, um dort einen Baum zu verehren und Opfer darbringen, weil sie wissen, daß in diesem Baum ein Gespenst haust. Diese verschiedenen Arten der Verehrung sind im Grunde genommen keine Gottesverehrung. Die Verehrung Gottes wird von Menschen ausgeführt, die sich auf der transzendentalen Ebene in unverfälschter Reinheit befinden. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt:

sattvaṁ viśuddham vāsudeva-śabditam

„Wenn ein Mensch in transzendentaler Reinheit verankert ist, verehrt er Vāsudeva.“

Das bedeutet, daß nur diejenigen, die von den materiellen Erscheinungsweisen der Natur völlig frei geworden sind und sich auf der transzendentalen Ebene befinden, den Höchsten Persönlichen Gott verehren können.

Von den Unpersönlichkeitsanhängern sagt man, sie befänden sich in der Erscheinungsweise der Reinheit. Sie verehren den unpersönlichen Viṣṇu, daß heißt die Form Viṣṇus in der materiellen Welt, die als philosophierter Viṣṇu bekannt ist. Viṣṇu ist die Erweiterung des Höchsten Persönlichen Gottes, doch weil die Unpersönlichkeitsanhänger letztlich nicht an den Höchsten Persönlichen Gott glauben, stellen sie sich vor, die Form Viṣṇus sei lediglich ein anderer Aspekt des unpersönlichen Brahman; in ähnlicher Weise denken sie, Brahmā sei die unpersönliche Form der materiellen Erscheinungsweise der Leidenschaft. Auf diese Weise sprechen sie manchmal von fünf Göttern, die der Verehrung würdig sind, aber weil sie das unpersönliche Brahman für die endgültige Wahrheit halten, verwerfen sie letzten Endes alle verehrungswürdigen Objekte. Die Schlußfolgerung lautet, daß die verschiedenen Eigenschaften der materiellen Erscheinungsweisen der Natur gereinigt werden können, wenn man mit Menschen zusammen ist, die in der Transzendenz verankert sind.

VERS 5–6

अशास्त्रविहितं घोरं तप्यन्ते ये तपो जनाः ।
दम्भाहङ्कारसंयुक्ताः कामरागबलान्विताः ॥५॥

कर्शयन्तः शरीरस्थं भूतग्राममचेतसः ।
माञ्चैवान्तःशरीरस्थं तान्विद्ध्यासुरनिश्चयान् ॥६॥

aśāstra-vihitaṁ ghoraṁ
tapyante ye tapo janāḥ

dambhāhaṅkāra-saṁyuktāḥ
kāma-rāga-balānvitāḥ

karṣayantaḥ śarīra-sthaṁ
bhūta-grāmam acetasaḥ

māṁ caivāntaḥ śarīra-sthaṁ
tān viddhy āsura-niścayān

aśāstra – nicht in den Schriften erwähnt; vihitam – gerichtet; ghoram – für andere schädlich; tapyante – Bußen auf sich nehmen; ye – diejenigen; tapaḥ – Enthaltsamkeiten; janaḥ – Menschen; dambha – Stolz; ahaṅkāra – Geltungsbedürfnis; saṁyuktāḥ – beschäftigt; kāma – Lust; rāga – Anhaftung; bala – Gewalt; anvitāḥ – getrieben von; karṣayantaḥ – peinigen; śarīra-stham – im Körper befindlich; bhūta-grāmam – die Verbindung der materiellen Elemente; acetasaḥ – durch solche eine irregeführte Mentalität; mām – zu Mir; ca – auch; eva – gewiß; antaḥ – innen; śarīra-stham – im Körper befindlich; tān – ihnen; viddhi – verstehen; āsura – Dämonen; niścayān – sicherlich.

ÜBERSETZUNG

Menschen, die sich aus Stolz, Geltungsbedürfnis, Lust und Anhaftung strenge, nicht in den Schriften empfohlene Enthaltsamkeiten und Bußen auferlegen, von Leidenschaft getrieben werden und sowohl ihre Körperorgane als auch die Überseele in ihrem Innern quälen, müssen als Dämonen gelten.

ERKLÄRUNG

Es gibt Menschen, die sich nach eigenem Gutdünken Enthaltsamkeiten und Bußen auferlegen, die nicht in den Unterweisungen der Schriften erwähnt werden. Fasten um eines niedrigen Motives willen, wie zum Beispiel, um ein rein politisches Ziel zu erreichen, wird nicht in den Anweisungen der Schriften empfohlen. Die Schriften empfehlen zu fasten, um spirituellen Fortschritt zu machen, und nicht, um politische oder soziale Ziele zu erreichen. Menschen, die solche Enthaltsamkeiten auf sich nehmen, sind nach den Lehren der Bhagavad-gītā dämonisch. Mit ihren Handlungen verletzen sie die Anweisungen der Schriften und nützen den meisten Menschen nicht. In Wirklichkeit handeln sie aus Stolz, falschem Ich, Lust und Anhaftung an materiellen Genuß. Durch solche Aktivitäten werden nicht nur die Kombinationen der materiellen Elemente gestört, aus denen der Körper aufgebaut ist, sondern auch der Höchste Persönliche Gott Selbst, der im Körper weilt. Solch unautorisiertes Fasten und solche Bußen, die man um eines politischen Zieles willen auf sich nimmt, stören andere Menschen nur. Sie werden in den vedischen Schriften nicht empfohlen. Ein dämonischer Mensch glaubt vielleicht, er könne mit dieser Methode seinen Feind oder andere zwingen, seinen Wünschen nachzugeben, doch manchmal stirbt er auch durch solches Fasten. Solches Handeln wird vom Höchsten Persönlichen Gott nicht gebilligt, und Er sagt, daß diejenigen, die sich so verhalten, Dämonen sind. Solche Unternehmungen sind Beleidigungen des Höchsten Gottes, denn sie werden im Ungehorsam gegenüber den Anweisungen der vedischen Schriften ausgeführt.

Das Wort acetasaḥ ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung – Menschen in einem normalen Geisteszustand müssen den Anweisungen der Schrift gehorchen. Diejenigen, die sich nicht in einer solchen Position befinden, vernachlässigen und verletzten die Unterweisungen der Schriften und fabrizieren ihre eigenen Enthaltsamkeiten und Bußen. Man sollte sich immer an das Schicksal der dämonischen Menschen erinnern, das im vorangegangenen Kapitel beschrieben wurde. Der Herr zwingt sie, immer wieder, in den Schößen dämonischer Mütter geboren zu werden. Folglich werden sie Geburt auf Geburt nach dämonischen Prinzipien leben müssen, ohne ihre Beziehung zum Höchsten Persönlichen Gott zu kennen. Wenn solche Menschen jedoch in der glücklichen Lage sind, von einem geistigen Meister unterwiesen zu werden, der sie auf den Pfad der vedischen Weisheit führen kann, können sie dieser Verstrickung entkommen und schließlich das höchste Ziel erreichen.

VERS 7

आहारस्त्वपि सर्वस्य त्रिविधो भवति प्रियः ।
यज्ञस्तपस्तथा दानं तेषां भेदमिमं शृणु ॥७॥

āhāras tv api sarvasya
tri-vidho bhavati priyaḥ
yajñas tapas tathā dānaṁ

teṣāṁ bhedam imaṁ śṛṇu

āhāraḥ – essen; tu – zweifellos; apī – auch; sarvasya – von jedem; trividhaḥ – drei Arten; bhavati – es gibt; priyaḥ – lieb; yajñaḥ – Opfer; tapaḥ – Buße; tathā – auch; dānam – Wohltätigkeiten; teṣām – von ihnen; bhedam – Unterschiede; imam – somit; śṛṇu – höre.

ÜBERSETZUNG

Selbst Nahrung – die jeder zu sich nehmen muß – ist entsprechend den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur in drei Gruppen unterteilt. Das gleiche gilt auch für Opfer, Bußen und Wohltätigkeit. Höre, und Ich werde dir die Unterschiede erklären.

ERKLÄRUNG

In Entsprechung zu verschiedenen Lebensumständen und den Erscheinungsweisen der materiellen Natur gibt es Unterschiede in den Gewohnheiten des Essens, der Darbringung von Opfern, der Auferlegung von Bußen und der Erweisung von Wohltätigkeiten. Diese Vorgänge befinden sich nicht alle auf der gleichen Ebene. Menschen, die auf analytische Art und Weise verstehen können, welche Art der Durchführung sich in welcher Erscheinungsweise der materiellen Natur befindet, sind wahrhaft weise. Diejenigen, die alle Arten von Opfer, Nahrung oder Wohltätigkeit als gleich ansehen, verfügen über kein Unterscheidungsvermögen und befinden sich folglich in Unwissenheit. Es gibt Prediger, die verkünden, man könne tun und lassen was man wolle und werde auf diese Weise die Vollkommenheit erreichen, doch solche verblendeten Führer handeln nicht nach den Unterweisungen der Schriften. Sie fabrizieren ihre eigenen Wege und führen die Menschen daher in die Irre.

VERS 8–10

आयुःसत्त्वबलारोग्यसुखप्रीतिविवर्द्धनाः ।
रस्याःस्निग्धाः स्थिरा हृद्या आहाराःसात्त्विकप्रियाः ॥८॥

कट्वम्ललवणात्युष्णतीक्ष्णरुक्षविदाहिनः ।
आहारा राजसस्येष्टा दुःखशोकामयप्रदाः ॥९॥

यातयामं गतरसं पूति पर्युषितञ्च यत् ।
उच्छिष्टमपि चामेध्यं भोजनं तामसप्रियम् ॥१०॥

āyuḥ-sattva-balārogya-
sukha-prīti-vivardhanāḥ

rasyāḥ snigdhāḥ sthirā hṛdyā
āhārāḥ sāttvika-priyāḥ

kaṭv-amla-lavaṇāty-uṣṇa-
tīkṣṇa-rūkṣa-vidāhinaḥ

āhārā rājasasyeṣṭā
duḥkha-śokāmaya-pradāḥ

yāta-yāmaṁ gata-rasaṁ
pūti paryuṣitaṁ ca yat

ucchiṣṭam api cāmedhyaṁ
bhojanaṁ tāmasa-priyam

āyuḥ – Lebensdauer; sattva – Existenz; bala – Stärke; ārogya – Gesundheit; sukha – Glück; prīti – Befriedigung; vivardhanāḥ – vergrößern; rasyāḥ – saftig; snigdhāḥ – fettig; sthirāḥ – verlängernd; hṛdyāḥ – das Herz erfreuen; āhārāḥ – Nahrung; sāttvika – Reinheit; priyāḥ – wohlschmeckend; kaṭu – bitter; amla – sauer; lavaṇa – salzig; ati-uṣṇa – sehr scharf; tīkṣṇa – beißend; rūkṣa – trocken; vidāhinaḥ – brennend; āhārāḥ – Nahrung; rājasasya – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; iṣṭāḥ – bevorzugt; duḥkha – Leid; śoka – Elend; āmaya-pradāḥ – Krankheit verursachen; yāta-yāmam – Nahrung, die drei Stunden vor dem Essen gekocht wurde; gata-rasam – geschmacklos; pūti – schlecht riechend; paryuṣitam – verfault; ca – auch; yat – das was; ucchiṣṭam – Reste von Nahrung, die von anderen gegessen wurde; api – auch; ca – und; amedhyam – unberührbar; bhojanam – essen; tāmasa – in der Erscheinungsweise der Dunkelheit; priyam – lieb.

ÜBERSETZUNG

Nahrungsmittel in der Erscheinungsweise der Reinheit verlängern die Lebensdauer, reinigen das Dasein und geben Kraft, Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. Solche nahrhaften Speisen enthalten viel Fett, sind süß, saftig und wohlschmeckend. Nahrungsmittel, die zu bitter, zu sauer, zu salzig, beißend, trocken und zu scharf sind, werden von Menschen geschätzt, die sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft befinden. Solche Nahrung verursacht Schmerz, Leid und Krankheit. Nahrungsmittel, die länger als drei Stunden vor dem Essen gekocht wurden, die ohne Geschmack, abgestanden, faul, verwest und unsauber sind, werden von Menschen bevorzugt, die sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit befinden.

ERKLÄRUNG

Der Zweck der Nahrung besteht darin, die Lebensdauer zu verlängern, den Geist zu reinigen und die körperliche Kraft zu erhöhen. Dies ist ihr einziger Zweck. In der Vergangenheit wählten große Autoritäten solche Nahrungsmittel aus, die der Gesundheit am zuträglichsten sind und die Lebensdauer verlängern, wie Milchprodukte, Zucker, Reis, Weizen, Früchte, Gemüse und Nüsse. Diejenigen, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden, lieben solche Nahrungsmittel sehr. Andere Nahrung, zum Beispiel gebackener Mais und Melassensirup, die unzubereitet nicht sehr wohlschmeckend sind, können schmackhaft gemacht werden, wenn sie mit Milch oder anderen Nahrungsmitteln vermischt werden. Sie befinden sich dann ebenfalls in der Erscheinungsweise der Reinheit. All diese Nahrungsmittel sind von Natur aus rein. Sie sind grundverschieden von unberührbaren Dingen wie Fleisch und Alkohol. Die fetthaltige Nahrung, die im achten Vers erwähnt wird, hat nichts mit Tierfett zu tun, das beim Schlachten von Tieren gewonnen wird. Tierfett ist in Form von Milch erhältlich, die von allen Nahrungsmitteln am wundervollsten ist. Milch, Butter, Käse und ähnliche Produkte geben Tierfett in einer Form, die das Töten unschuldiger Tiere unnötig macht, und nur aufgrund einer brutalen Mentalität wird dieses Töten fortgesetzt. Die zivilisierte Methode, das notwendige Fett zu erhalten, besteht darin, es aus Milch zu gewinnen. Schlachten ist die Methode von Untermenschen. Auch das Argument, nur Fleisch enthalte das zum Leben notwendige Protein, kann nicht aufrechterhalten werden, denn Protein kann man in ausreichender Menge auch aus gespaltenen Erbsen (dhal) erhalten.

Nahrung in der Erscheinungsweise der Leidenschaft, die bitter, zu salzig, zu scharf oder übermäßig mit rotem Pfeffer vermischt ist, verursacht Leid, weil sie im Magen Schleim erzeugt, der zu Krankheit führt.

Insbesondere Nahrungsmittel, die nicht frisch sind, befinden sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit bzw. Dunkelheit. Jede Nahrung, die mehr als drei Stunden vor dem Essen gekocht wurde (außer prasādam, Speise, die dem Herrn geopfert wurde), befindet sich in der Erscheinungsweise der Dunkelheit. Weil diese Nahrung verwest, entströmt ihr ein schlechter Geruch, der Menschen in dieser Erscheinungsweise oft anzieht, aber diejenigen abstößt, die sich in der Erscheinungsweise der Reinheit befinden.

Speisereste dürfen nur gegessen werden, wenn sie zu einem Gericht gehören, das zuerst dem Höchsten Herrn geopfert wurde oder von dem zuerst Heilige, insbesondere der geistige Meister, gegessen haben. Ansonsten befinden sich die Reste von Nahrung in der Erscheinungsweise der Dunkelheit und erhöhen die Gefahr einer Infektion oder Krankheit. Obwohl solche Nahrungsmittel Menschen in der Erscheinungsweise der Dunkelheit sehr wohlschmeckend erscheinen, lieben Menschen in der Erscheinungsweise der Reinheit solche Nahrung nicht und berühren sie nicht einmal. Die beste Nahrung sind die Reste von Speisen, die dem Höchsten Herrn geopfert wurden. In der Bhagavad-gītā sagt der Herr, daß Er Speisen, die aus Gemüse, Mehl und Milch zubereitet seien, annehmen werde, wenn sie mit Hingabe geopfert würden; patraṁ puṣpaṁ phalaṁ toyam. Selbstverständlich sind Liebe und Hingabe für den Höchsten Persönlichen Gott das wichtigste, doch es wird auch erwähnt, daß prasādam auf eine besondere Art zubereitet werden sollte. Jede Speise, die nach den Anweisungen der Schriften zubereitet und dem Höchsten Persönlichen Gott geopfert wird, kann selbst dann noch gegessen werden, wenn sie bereits vor langer Zeit gekocht wurde, denn solche Nahrung ist transzendental. Um daher die Nahrung für alle Menschen antiseptisch, eßbar und wohlschmeckend zu machen, sollte man sie zuerst dem Höchsten Persönlichen Gott opfern.

VERS 11

अफलाकाङ्क्षिभिर्यज्ञो विधिदिष्टो य इज्यते ।
यष्टव्यमेवेति मनः समाधाय स सात्त्विकः ॥११॥

aphalākāṅkṣibhir yajño
vidhi-dṛṣṭo ya ijyate
yaṣṭavyam eveti manaḥ

samādhāya sa sāttvikaḥ

aphala-kāṅkṣibhiḥ – von denen, die ohne Verlangen nach dem Ergebnis; yajñaḥ – Opfer; vidhi – von den Regeln der Schriften; dṛṣṭaḥ – angewiesen; yaḥ – jeder; ijyate – wird dargebracht; yaṣṭavyam – müssen ausgeführt werden; eva – gewiß; iti – somit; manaḥ – Geist; samādhāya – konzentrieren auf; saḥ – dieses Opfer; sāttvikaḥ – befindet sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

ÜBERSETZUNG

Das Opfer, das in Übereinstimmung mit der Pflicht und nach den Regeln der Schriften dargebracht wird, und bei dem man keine Belohnung erwartet, befindet sich in der Erscheinungsweise der Reinheit.

ERKLÄRUNG

Es besteht allgemein die Tendenz, Opfer mit einem versteckten Motiv darzubringen, doch hier wird erklärt, daß Opfer ohne solche Verlangen dargebracht werden sollten. Ihre Ausführung sollte als Pflicht angesehen werden. Nehmen wir zum Beispiel die Vollziehung von Ritualen in Tempeln oder Kirchen. Im allgemeinen werden solche Rituale mit der Absicht ausgeführt, einen materiellen Nutzen zu gewinnen, doch solches Verhalten befindet sich nicht in der Erscheinungsweise der Reinheit. Man sollte es als seine Pflicht ansehen, den Tempel oder die Kirche zu besuchen, um dort den Höchsten Herrn zu verehren und Ihm Blumen und Speisen zu opfern. Jeder denkt, es sei sinnlos, nur in den Tempel zu gehen, um Gott zu verehren; doch Verehrung, um einen wirtschaftlichen Nutzen zu gewinnen, wird in den Unterweisungen der Schriften nicht empfohlen. Man sollte nur in den Tempel gehen, um der transzendentalen Bildgestalt des Herrn seine Ehrerbietungen zu erweisen. Dies wird einen Menschen zur Erscheinungsweise der Reinheit erheben. Es ist die Pflicht jedes zivilisierten Menschen, die Anweisungen der Schriften zu befolgen und dem Höchsten Persönlichen Gott Ehre zu erweisen.

VERS 12

अभिसन्धाय तु फलं दम्भार्थमपि चैव यत् ।
इज्यते भरतश्रेष्ठ तं यज्ञं विद्धि राजसम् ॥१२॥

abhisandhāya tu phalaṁ
dambhārtham api caiva yat

ijyate bharata-śreṣṭha
taṁ yajñaṁ viddhi rājasam

abhisandhāya – verlangen; tu – aber; phalam – das Ergebnis; dambha – Stolz; artham – materielle Nutzen; api – auch; ca – und; eva – gewiß; yat – das was; ijyate – wird dargebracht; bharata-śreṣṭha – O Oberhaupt der Bhāratas; tam – dieses; yajñam – Opfer; viddhi – wisse; rājasam – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.

ÜBERSETZUNG

Doch das Opfer, o Oberhaupt der Bhāratas, das aus einem materiellen Motiv heraus, um einen materiellen Nutzen zu erhalten, oder prahlerisch, aus Stolz, dargebracht wird, befindet sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.

ERKLÄRUNG

Manchmal werden Opfer und Rituale ausgeführt, um zum himmlischen Königreich erhoben zu werden oder einen materiellen Nutzen in dieser Welt zu gewinnen. Solche Opfer oder Zeremonien befinden sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.

VERS 13

विधिहीनमसृष्टान्नं मन्त्रहीनमदक्षिणम् ।
श्रद्धाविरहितं यज्ञं तामसं परिचक्षते ॥१३॥

vidhi-hīnam asṛṣṭānnaṁ
mantra-hīnam adakṣiṇam

śraddhā-virahitaṁ yajñaṁ
tāmasaṁ paricakṣate

vidhi-hīnam – ohne Unterweisung der Schriften; asṛṣṭa-annam – ohne Verteilung von prasādam; mantra-hīnam – wobei keine vedischen Hymnen gechantet werden; adakṣiṇam – ohne Belohnung der Priester; śraddhā – Glaube; virahitaṁ – ohne; yajñaṁ – Opfer; tāmasam – in der Erscheinungsweise der Unwissenheit; paricakṣate – muß angesehen werden.

ÜBERSETZUNG

Und das Opfer, das entgegen den Anweisungen der Schriften dargebracht wird, bei dem keine spirituellen Speisen verteilt und keine Hymnen gechantet werden, den Priestern kein Entgeld gegeben und das ohne Vertrauen ausgeführt wird – solch ein Opfer befindet sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

ERKLÄRUNG

Glaube in der Erscheinungsweise der Dunkelheit bzw. Unwissenheit ist in Wirklichkeit Unglaube. Manchmal verehren Menschen einen Halbgott, um auf diese Weise zu Geld zu kommen, und weil sie die Anweisungen der Schriften ignorieren, geben sie das Geld für die Befriedigung ihrer Sinne aus. Solche zeremonienhaften Zurschaustellungen von Religiosität können nicht als echt akzeptiert werden. Sie befinden sich in der Erscheinungsweise der Dunkelheit und erzeugen eine dämonische Mentalität. Daher nützen sie der menschlichen Gesellschaft nicht.

VERS 14

देवद्विजगुरुप्राज्ञपूजनं शौचमार्जवम् ।
ब्रह्मचर्यमहिंसा च शारीरं तप उच्यते ॥१४॥

deva-dvija-guru-prājña-
pūjanaṁ śaucam ārjavam

brahma-caryam ahiṁsā ca
śarīraṁ tapa ucyate

deva – der Höchste Herr; dvija – der brāhmaṇa; guru – der geistige Meister; prājña – zu verehrende Persönlichkeiten; pūjanam – Verehrung; śaucam – Sauberkeit; ārjavam – Einfachheit; brahma-caryam – sexuelle Enthaltsamkeit; ahiṁsā – Gewaltlosigkeit; ca – auch; śārīram – zum Körper gehörend; tapaḥ – Buße; ucyate – es wird gesagt, daß es ist.

ÜBERSETZUNG

Die Buße des Körpers besteht aus der Verehrung des Höchsten Herrn, der brāhmaṇas, des geistigen Meisters und der Höherstehenden wie dem Vater und der Mutter. Sauberkeit, Einfachheit, sexuelle Enthaltsamkeit und Gewaltlosigkeit sind ebenfalls Bußen des Körpers.

ERKLÄRUNG

Der Höchste Persönliche Gott erklärt hier die verschiedenartigen Bußen und Enthaltsamkeiten. Als erstes erklärt Er die Bußen und Enthaltsamkeiten, die sich auf den Körper beziehen. Man sollte Gott, den Halbgöttern, den vollkommenen und qualifizierten brāhmaṇas, dem geistigen Meister und den Höherstehenden wie dem Vater, der Mutter oder einem Menschen, der mit dem vedischen Wissen vertraut ist, Ehre erweisen oder lernen, dies zu tun. All diesen Personen sollte in angemessener Weise Respekt erweisen werden. Man sollte sich ebenfalls darin üben, sich äußerlich und innerlich zu säubern, und lernen, in seinem Verhalten einfach zu werden. Man sollte nichts tun, was nicht von den Unterweisungen der Schriften gebilligt wird. Man sollte außerhalb der Ehe mit Sexualität nichts zu tun haben, denn nach den Schriften ist Sexualität nur gestattet, wenn man verheiratet ist, und sonst nicht; dies wird sexuelle Enthaltsamkeit genannt. Diese Bußen und Enthaltsamkeiten beziehen sich auf den Körper.

VERS 15

अनुद्वेगकरं वाक्यं सत्यं प्रियहितञ्च यत् ।
स्वाध्यायाभ्यसनं चैव वाङ्मयं तप उच्यते ॥१५॥

anudvega-karaṁ vākyaṁ
satyaṁ priya-hitaṁ ca yat

svādhyāyābhyasanaṁ caiva
vāṅmayaṁ tapa ucyate

anudvega – nicht verletzend; karam – erzeugen; vākyam – Worte; satyam – ehrlich; priya – lieb; hitam – segensreich; ca – auch; yat – welches; svādhyāya – das Studium der Veden; abhyasanam – Übung; ca – auch; eva – gewiß; vāṅmayaṁ – der Stimme; tapaḥ – Buße; ucyate – es wird gesagt, es sei.

ÜBERSETZUNG

Buße in der Rede bedeutet, die Wahrheit zu sagen, zum Wohl anderer zu sprechen und Gerede zu vermeiden, das andere verletzt. Auch sollte man regelmäßig die Veden vortragen.

ERKLÄRUNG

Man sollte nicht in einer Weise reden, die andere erregt. Ein Lehrer kann natürlich die Wahrheit sprechen, wenn er seinen Schülern Unterweisungen erteilen will, doch er sollte mit dem, was er sagt, andere Menschen, die nicht seine Schüler sind, nicht erregen. Dies ist eine Buße, die sich auf die Rede bezieht. Abgesehen davon sollte man seine Zeit nicht mit unsinnigem Geschwätz vergeuden. Wenn man in spirituellen Kreisen spricht, müssen die Aussagen, die man macht, anhand der Schriften belegt werden können. Man sollte sofort aus den autorisierten Schriften zitieren, um damit seine Aussagen zu erhärten. Zur selben Zeit sollte ein solches Gespräch sehr angenehm für das Ohr sein. Durch solche Diskussionen kann man den höchsten Nutzen gewinnen und die menschliche Gesellschaft auf eine höhere Ebene führen. Es gibt zahllose vedische Schriften, und man sollte sie studieren. Dies versteht man unter der Buße des Sprechens.

VERS 16

मनःप्रसादः सौम्यत्वं मौनमात्मविनिग्रहः ।
भावसंशुद्धिरित्येतत्तपो मानसमुच्यते ॥१६॥

manaḥ-prasādaḥ saumyatvaṁ
maunam ātma-vinigrahaḥ

bhāva-saṁśuddhir ity etat
tapo mānasam ucyate

manaḥ-prasādaḥ – Zufriedenheit des Geistes; saumyatvam – ohne Zweiseitigkeit anderen gegenüber; maunam – Ernsthaftigkeit; ātma – Selbst; vinigrahaḥ – Kontrolle; bhāva – Natur; saṁśuddhiḥ – Reinigung; iti – somit; etat – das ist; tapaḥ – Buße; mānasam – des Geistes; ucyate – man sagt, es sei.

ÜBERSETZUNG

Klarheit, Einfachheit, Ernsthaftigkeit, Selbstbeherrschung und Reinheit der Gedanken sind Bußen des Geistes.

ERKLÄRUNG

Den Geist enthaltsam zu machen bedeutet, ihn von Gedanken an Sinnesbefriedigung zurückzuziehen. Er sollte in einer solchen Weise geschult werden, daß er immer imstande ist, daran zu denken, Gutes für andere zu tun. Die beste Schulung des Geistes besteht darin, sich mit ernsthaften Gedanken zu beschäftigen. Man sollte sich vom Kṛṣṇa-Bewußtsein nicht abwenden und es immer vermeiden, die Sinne zu befriedigen. Kṛṣṇa-bewußt zu werden bedeutet, sein Wesen zu reinigen. Man kann inneren Frieden nur dann erreichen, wenn man den Geist von Gedanken an Sinnesgenuß zurückzieht. Je mehr wir an Sinnesgenuß denken, desto unzufriedener wird unser Geist. Im gegenwärtigen Zeitalter beschäftigen wir den Geist unnötigerweise mit so vielen Arten der Sinnesbefriedigung, daß keine Aussicht auf inneren Frieden besteht. Das beste ist, wenn man den Geist auf die vedischen Schriften wie die Purāṇas und das Mahābhārata lenkt, die viele wunderschöne Geschichten enthalten. Man kann dieses Wissen nutzen und auf diese Weise gereinigt werden. Der Geist sollte frei von Zwiespältigkeiten sein, und man sollte an das Wohl aller denken. Schweigsam zu sein bedeutet, fortwährend an Selbstverwirklichung zu denken. In diesem Sinne ist ein Mensch im Kṛṣṇa-Bewußtsein völlig schweigsam. Kontrolle des Geistes bedeutet, ihn vom Sinnesgenuß zu lösen. Man sollte offen sein und dadurch seine Existenz reinigen. All diese Eigenschaften sind Bußen in den Aktivitäten des Geistes.

VERS 17

श्रद्धया परया तप्तं तपस्तत्त्रिविधं नरैः ।
अफलाकाङ्क्षिभिर्युक्तैः सात्त्विकं परिचक्षते ॥१७॥

śraddhayā parayā taptaṁ
tapas tat tri-vidhaṁ naraiḥ

aphalākāṅkṣibhir yuktaiḥ
sāttvikaṁ paricakṣate

śraddhayā – mit Glauben; parayā – transzendental; taptam – ausgeführt; tapaḥ – Buße; tat – dies; tri-vidham – drei Arten von; naraiḥ – von Menschen; aphala-ākāṅkṣibhiḥ – ohne Verlangen nach den Früchten; yuktaiḥ – beschäftigt; sāttvikam – in der Erscheinungsweise der Reinheit; pari-cakṣate – wird genannt.

ÜBERSETZUNG

Diese dreifache Buße, die sich Menschen auferlegen, die nicht das Ziel haben, sich materiell zu nützen, sondern die den Höchsten erfreuen wollen, befindet sich in der Erscheinungsweise der Reinheit.

VERS 18

सत्कारमानपूजार्थं तपो दम्भेन चैव यत् ।
क्रियते तदिह प्रोक्तं राजसं चलमध्रुवम् ॥१८॥

satkāra-māna-pūjārthaṁ
tapo dambhena caiva yat

kriyate tad iha proktaṁ
rājasaṁ calam adhruvam

satkāra – Respekt; māna – Ehre; pūjā-artham – zur Verehrung; tapaḥ – Buße; dambhena – mit Stolz; ca – auch; eva – gewiß; yat – was ist; kriyate – ausgeführt; tat – dieses; iha – in dieser Welt; proktam – es wird gesagt; rājasam – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; calam – flackernd; adhruvam – zeitweilig.

ÜBERSETZUNG

Die prahlerischen Bußen und Enthaltsamkeiten, die man sich auferlegt, um Respekt, Ehre und Verehrung zu erlangen, befinden sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Sie sind weder beständig noch von Dauer.

ERKLÄRUNG

Manche Menschen nehmen Bußen und Enthaltsamkeiten auf sich, um andere zu beeindrucken und von ihnen Ehre, Respekt und Verehrung zu empfangen. Menschen in der Erscheinungsweise der Leidenschaft richten es so ein, daß sie von Untergeordneten verehrt werden, und somit lassen sie sich von ihnen die Füße waschen und Reichtümer anbieten. Solche Vorkehrungen, die künstlich durch das Aufsichnehmen von Bußen getroffen werden, befinden sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft und ihre Ergebnisse sind zeitweilig. Sie können zwar für eine Zeitlang beibehalten werden, doch sie sind nicht von Dauer.

VERS 19

मूढग्राहेणात्मनो यत्पीडया क्रियते तपः ।
परस्योत्सादनार्थं वा तत्तामसमुदाहृतम् ॥१९॥

mūḍha-grāheṇātmanaḥ yat
pīḍayā kriyate tapaḥ

parasyotsādanārthaṁ vā
tat tāmasam udāhṛtam

mūḍha – dumm; grāheṇa – mit Bemühen; ātmanaḥ – des eigenen Selbst; yat – welches; pīḍayā – durch Torturen; kriyate – wird ausgeführt; tapaḥ – Buße; parasya – gegenüber anderen; utsādanārtham – Vernichtung verursachen; – oder; tat – dieses; tāmasam – in der Erscheinungsweise der Unwissenheit; udāhṛtam – es wird gesagt, es sei.

ÜBERSETZUNG

Und die Bußen und Enthaltsamkeiten, mit denen man sich aus starrsinniger Verblendung Selbsttorturen auferlegt, oder andere zerstören oder verletzten will, befinden sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

ERKLÄRUNG

Es gibt viele Beispiele von Bußen, die verblendete Dämonen auf sich nahmen, wie zum Beispiel Hiraṇyakaśipu, der sich strenge Bußen auferlegte, um unsterblich zu werden und die Halbgötter zu töten. Er flehte Brahmā um Unsterblichkeit an, doch letztlich wurde er vom Höchsten Persönlichen Gott getötet. Wenn man sich Bußen auferlegt, um ein unmögliches Ziel zu erreichen, befindet man sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

VERS 20

दातव्यमिति यद्दानं दीयतेऽनुपकारिणे ।
देशे काले च पात्रे च तद्दानं सात्त्विकं स्मृतम् ॥२०॥

dātavyam iti yad dānaṁ
dīyate ’nupakāriṇe

deśe kāle ca pātre ca
tad dānaṁ sāttvikaṁ smṛtam

dātavyam – es wert sein zu geben; iti – somit; yat – das was; dānam – Wohltätigkeit; dīyate – gegeben; anupakāriṇe – jedem Menschen, ungeachtet, ob er gut handelt; kāle – zu einer Zeit; ca – auch; pātre – geeigneter Mensch; ca – und; tat – diese; dānam – Wohltätigkeit; sāttvikam – in der Erscheinungsweise der Reinheit; smṛtam – ansehen.

ÜBERSETZUNG

Die Spende, die aus Pflichtgefühl zur rechten Zeit und am rechten Ort einem würdigen Menschen gegeben wird, ohne eine Gegenleistung zu erwarten, gilt als Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Reinheit.

ERKLÄRUNG

In den vedischen Schriften wird empfohlen, einem Menschen, der mit spirituellen Aktivitäten beschäftigt ist, Spenden zu geben. Es wird dort nicht empfohlen, Spenden wahllos zu verteilen. Spirituelle Vollkommenheit bedeutet immer, zu überlegen. Es wird daher empfohlen, Spenden an einer Pilgerstätte, bei Mond- oder Sonnenfinsternissen, einem qualifizierten brāhmaṇa, einem Vaiṣṇava (Gottgeweihten) oder einem Tempel zu geben. Solche Spenden sollten gegeben werden, ohne eine Gegenleistung zu erwarten. Manchmal werden den Armen aus Mitleid Spenden gegeben, doch wenn ein armer Mensch es nicht wert ist, Spenden zu empfangen, macht der Spender keinen spirituellen Fortschritt. Mit anderen Worten, in den vedischen Schriften wird nicht empfohlen, Spenden wahllos zu verteilen.

VERS 21

यत्तु प्रत्युपकारार्थं फलमुद्दिश्य वा पुनः ।
दीयते च परिक्लिष्टं तद्दानं राजसं स्मृतम् ॥२१॥

yat tu pratyupakārārthaṁ
phalam uddiśya vā punaḥ

dīyate ca parikliṣṭaṁ
tad dānaṁ rājasaṁ smṛtam

yat – das was; tu – aber; prati-upakāra-artham – um etwas zurückzubekommen; phalam – Ergebnis; uddiśya – verlangen; – oder; punaḥ – wieder; dīyate – es wird als Wohltätigkeit erwiesen; ca – auch; parikliṣṭam – widerwillig; tat – dies; dānam – Wohltätigkeit; rājasam – in der Erscheinungsweise der Leidenschaft; smṛtam – es wird angesehen als.

ÜBERSETZUNG

Doch wenn man nur wohltätig ist, weil man sich einen Nutzen davon verspricht, oder weil man sich fruchtbringende Ergebnisse wünscht, oder wenn man nur mit Widerwillen spendet, so befindet sich diese Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Leidenschaft.

ERKLÄRUNG

Manchmal sind Menschen wohltätig, weil sie zum himmlischen Königreich erhoben werden wollen, und manchmal bereitet es ihnen große Schwierigkeiten, wohltätig zu sein, und sie bereuen es schon kurze Zeit später: „Warum habe ich soviel Geld ausgegeben?“ Spenden werden manchmal auch gegeben, weil man einer Verpflichtung nachkommen muß, das heißt, weil man von einem anderen darum gebeten wurde. Man sagt, diese Art von Spenden befänden sich in der Erscheinungsweise der Leidenschaft. Es gibt viele Wohltätigkeitsorganisationen, die ihre Spenden Institutionen zukommen lassen, in denen die Menschen lediglich ihre Sinne befriedigen. Solche Spenden werden in den vedischen Schriften nicht empfohlen. Nur Wohltätigkeit in der Erscheinungsweise der Reinheit wird empfohlen.

VERS 22

अदेशकाले यद्दानमपात्रेभ्यश्च दीयते ।
असत्कृतमवज्ञातं तत्तामसमुदाहृतम् ॥२२॥

adeśa-kāle yad dānam
apātrebhyaś ca dīyate

asatkṛtam avajñātaṁ
tat tāmasam udāhṛtam

adesa – verunreinigter Ort; kāle – nicht gereinigte Zeit; yat – das was ist; dānam – Wohltätigkeit; apātrebhyaḥ – zu Menschen, die es nicht wert sind; ca – auch; dīyate – wird gegeben; asatkṛtam – ohne Respekt; avajñātam – ohne rechte Aufmerksamkeit; tat – dieses; tāmasam – in der Erscheinungsweise der Dunkelheit; udāhṛtam – man sagt es sei.

ÜBERSETZUNG

Und Spenden, die an einem ungeeigneten Ort, zu einer ungünstigen Zeit und unwürdigen Menschen ohne Respekt und mit Verachtung gegeben werden, sind Spenden in der Erscheinungsweise der Unwissenheit.

ERKLÄRUNG

Spenden, die zur Berauschung und zum Glücksspiel verwendet werden, werden hier nicht gebilligt. Diese Art von Spenden befindet sich in der Erscheinungsweise der Unwissenheit. Solche Wohltätigkeit ist nicht segensbringend – im Gegenteil, auf diese Weise werden sündige Menschen unterstützt. In ähnlicher Weise befinden sich auch Spenden, die einem würdigen Menschen ohne Respekt und Aufmerksamkeit gegeben werden, in der Erscheinungsweise der Dunkelheit.

VERS 23

ॐ तत्सदिति निर्देशो ब्रह्मणस्त्रिविधः स्मृतः ।
ब्राह्मणास्तेन वेदाश्च यज्ञाश्च विहिताः पुरा ॥२३॥

oṁ-tat-sad iti nirdeśo
brahmaṇas trī-vidhaḥ smṛtaḥ

brāhmaṇās tena vedāś ca
yajñāś ca vihitāḥ purā

oṁ – Hinweis auf den Höchsten; tat – somit; sat – ewig; iti – dieses; nirdeśaḥ – Hinweis; brāhmaṇāḥ – des Höchsten; tri-vidhaḥ – drei Arten; smṛtaḥ – angesehen; brāhmaṇāḥ – die brāhmaṇas; tena – deshalb; vedāḥ – die vedischen Schriften; ca – auch; yajñāḥ – Opfer; ca – auch; vihitāḥ – Opfer; purā – früher.

ÜBERSETZUNG

Seit dem Beginn der Schöpfung wurden die drei Silben om tat sat verwendet, um auf die Höchste Absolute Wahrheit [Brahman] hinzuweisen. Sie wurden von den brāhmaṇas ausgesprochen, um den Höchsten zufriedenzustellen, während diese vedische Hymnen chanteten und Opfer darbrachten.

ERKLÄRUNG

Es wurde erklärt, daß Nahrung, Opfer, Bußen und Wohltätigkeit in drei Kategorien eingeteilt werden: in die Erscheinungsweisen der Reinheit, Leidenschaft und Unwissenheit. Doch seien sie auch erstklassig, zweitklassig oder drittklassig, sie alle sind bedingt und von den drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur verunreinigt. Wenn sie jedoch auf den Höchsten gerichtet sind – om tat sat, den Höchsten Persönlichen Gott, den Ewigen – werden sie zu Mitteln der spirituellen Erhebung. In den Unterweisungen der Schriften wird auf ein solches Ziel hingewiesen. Die drei Worte om tat sat weisen insbesondere auf die Absolute Wahrheit, den Höchsten Persönlichen Gott, hin. In den vedischen Hymnen ist das Wort om immer zu finden.

Wer handelt, ohne die Regulierungen der Schriften zu beachten, wird die Absolute Wahrheit nicht erreichen. Er wird ein zeitweiliges Ergebnis erhalten, aber nicht das endgültige Ziel des Lebens erreichen. Daraus kann man schließen, daß das Geben von Spenden, die Darbringung von Opfern und die Auferlegung von Bußen in der Erscheinungsweise der Reinheit ausgeführt werden müssen. Wenn diese Aktivitäten in den Erscheinungsweisen der Leidenschaft oder der Unwissenheit verrichtet werden, sind sie sicherlich von geringerer Qualität. Die drei Worte om tat sat werden in Verbindung mit dem heiligen Namen des Höchsten Herrn ausgesprochen: om tat viṣṇoḥ. Immer wenn eine vedische Hymne oder der heilige Name des Höchsten Herrn gechantet wird, fügt man om hinzu. So lautet die Anweisung der vedischen Schriften. Diese drei Worte sind den vedischen Hymnen entnommen. Om ity etad brahmaṇo nediṣṭaṁ nāma weist auf das erste Ziel hin. Tat tvam asi weist auf das zweite Ziel hin. Und sad eva saumya weist auf das dritte Ziel hin. Zusammengenommen werden sie zu om tat sat. Als Brahmā, das zuerst erschaffene Lebewesen, Opfer darbrachte, chantete er diese drei Namen des Höchsten Persönlichen Gottes. Das gleiche Prinzip ist auch in der Nachfolge der geistigen Meister zu finden. Diese Hymne ist also von großer Bedeutung. Die Bhagavad-gītā empfiehlt daher, jede Arbeit, die getan wird, für om tat sat, den Höchsten Persönlichen Gott, zu verrichten. Wenn man sich Bußen auferlegt, Wohltätigkeiten erweist und Opfer darbringt, während man diese drei Worte chantet, handelt man im Kṛṣṇa-Bewußtsein. Kṛṣṇa-Bewußtsein ist die Wissenschaft, die lehrt, transzendentale Aktivitäten auszuführen, die es dem Menschen ermöglichen, zurück nach Hause zu gehen, zurück zu Gott. Man verliert keine Energie, wenn man solche transzendentalen Aktivitäten ausführt.

VERS 24

तस्मादोमित्युदाहृत्य यज्ञदानतपःक्रियाः ।
प्रवर्त्तन्ते विधानोक्ताः सततं ब्रह्मवादिनाम् ॥२४॥

tasmād om ity udāhṛtya
yajña-dāna-tapaḥ-kriyāḥ

pravartante vidhānoktāḥ
satataṁ brahma-vādinām

tasmāt – deshalb; om – angefangen mit om; iti – somit; udāhṛtya – hinweisen auf; yajña – Opfer; dāna – Wohltätigkeit; tapaḥ – Buße; kriyāḥ – Ausführungen; pravartante – beginnt; vidhāna-uktāḥ – nach der Regulierung der Schrift; satatam – immer; brahma-vādinām – der Transzendentalist.

ÜBERSETZUNG

Um daher den Höchsten zu erreichen, bringen die Transzendentalisten Opfer dar, erweisen Wohltätigkeiten und nehmen Bußen auf sich, wobei sie immer mit om beginnen.

ERKLÄRUNG

Om tad viṣṇoḥ paramaṁ padam. „Die Lotusfüße Viṣṇus sind die Ebene höchster Hingabe.“ Wenn man alles für den Höchsten Persönlichen Gott tut, ist es sicher, daß man in jeder Aktivität die Vollkommenheit erreicht.

VERS 25

तदित्यनभिसन्धाय फलं यज्ञतपःक्रियाः ।
दानक्रियाश्च विविधाः क्रियन्ते मोक्षकाङ्क्षिभिः ॥२५॥

tad ity anabhisandhāya
phalaṁ yajña-tapaḥ-kriyāḥ

dāna-kriyāś ca vividhāḥ
kriyante mokṣa-kāṅkṣibhiḥ

tat – dieses; iti – sie; anabhisandhāya – ohne fruchtbringendes Ergebnis; phalam – das Ergebnis des Opfers; yajña – Opfer; tapaḥ – Buße; kriyāḥ – Aktivitäten; dāna – Wohltätigkeiten; kriyāḥ – Aktivitäten; ca – auch; vividhāḥ – Verschiedenartigkeiten; kriyante – getan; mokṣa-kāṅkṣibhiḥ – diejenigen, die wirklich nach Befreiung verlangen.

ÜBERSETZUNG

Man sollte Opfer darbringen, sich Bußen auferlegen und wohltätig sein, indem man dabei das Wort tat spricht. Solche transzendentalen Aktivitäten werden ausgeführt, um von der materiellen Verstrickung frei zu werden.

ERKLÄRUNG

Um auf die spirituelle Ebene erhoben zu werden, sollte man nicht aus dem Motiv heraus handeln, einen materiellen Gewinn zu erlangen. Handlungen sollten mit dem Ziel ausgeführt werden, zum spirituellen Königreich erhoben zu werden und zurück nach Hause zu gehen, zurück zu Gott.

VERS 26–27

सद्भावे साधुभावे च सदित्येतत्प्रयुज्यते ।
प्रशस्ते कर्मणि तथा सच्छब्दः पार्थ युज्यते ॥२६॥

यज्ञे तपसि दाने च स्थितिः सदिति चोच्यते ।
कर्म चैव तदर्थीयं सदित्येवाभिधीयते ॥२७॥

sad-bhāve sādhu-bhāve ca
sad ity etat prayujyate

praśaste karmaṇi tathā
sac-chabdaḥ pārtha yujyate

yajñe tapasi dāne ca
sthitiḥ sad iti cocyate

karma caiva tad-arthīyaṁ
sad ity evābhidhīyate

sat-bhāve – im Sinne der Natur des Höchsten; sādhu-bhāve – im Sinne der Natur der Hingabe; ca – auch; sat – der Höchste; iti – somit; etat – dieses wird; prayujyate – wird verwendet; praśaste – echt; karmaṇi – Aktivitäten; tathā – auch; sat-śabdaḥ – Klang; pārtha – O Sohn Pṛthās; yujyate – wird verwendet; yajñe – Opfer; tapasi – in Buße; dāne – Wohltätigkeit; ca – auch; sthitiḥ – befindlich; sat – der Höchste; iti – somit; ca – und; ucyate – betont; karma – Arbeit; ca – auch; eva – gewiß; tat – dieses; arthīyam – sind bestimmt; sat – der Höchste; iti – somit; eva – gewiß; abhidhīyate – wird praktiziert.

ÜBERSETZUNG

O Sohn Pṛthās, die Absolute Wahrheit ist das Ziel des hingebungsvollen Opfers, und auf sie wird mit dem Wort sat hingewiesen. Diese Opferdarbringungen, Auferlegungen von Bußen und Wohltätigkeiten, die von absoluter Natur sind, sind zur Freude der Höchsten Person bestimmt.

ERKLÄRUNG

Die Worte praśaste karmaṇi (vorgeschriebene Pflichten) weisen darauf hin, daß in den vedischen Schriften viele Aktivitäten, daß heißt Reinigungsvorgänge, vorgeschrieben werden, die mit der elterlichen Fürsorge beginnen und bis ans Lebensende fortgesetzt werden. Solche Reinigungsvorgänge werden mit dem Ziel durchgeführt, das Lebewesen endgültig zu befreien. Es wird empfohlen, bei all diesen Aktivitäten om tat sat zu chanten. Die Worte sād-bhāve und sādhu-bhāve weisen auf den transzendentalen Dienst für die Absolute Wahrheit hin. Wer im Kṛṣṇa-Bewußtsein handelt, wird sattva genannt, und wer sich über die Aktivitäten im Kṛṣṇa-Bewußtsein völlig bewußt ist, wird svarūpa genannt. Im Śrīmad-Bhāgavatam wird gesagt, daß die Höchste Absolute Wahrheit durch das Zusammensein mit Gottgeweihten verständlich wird. Ohne guten Umgang kann man nicht zu transzendentalem Wissen kommen. Wenn man einen Menschen einweiht oder ihm die heilige Schnur gibt, chantet man die Worte om tat sat. In ähnlicher Weise wird auch bei allen Arten von yoga-Übungen das höchste Ziel om tat sat angerufen. Die Worte om tat sat werden verwendet, um alle Aktivitäten zu vervollkommnen. Dieses erhabene om tat sat vollendet alles.

VERS 28

अश्रद्धया हुतं दत्तं तपस्तप्तं कृतञ्च यत् ।
असदित्युच्यते पार्थ न च तत्प्रेत्य नो इह ॥२८॥

aśraddhayā hutaṁ dattaṁ
tapas taptaṁ kṛtaṁ ca yat

asad ity ucyate pārtha
na ca tat pretya no iha

aśraddhayā – ohne Glaube; hutam – durchgeführt; dattam – gegeben; tapaḥ – Buße; taptam – ausgeführt; kṛtam – durchgeführt; ca – auch; yat – das was; asat – vergeht; iti – somit; ucyate – man sagt es sei; pārtha – O Sohn Pṛthās; na – niemals; ca – auch; tat – dieses; pretya – nach dem Tode; no – auch nicht; iha – in diesem Leben.

ÜBERSETZUNG

Doch Opfer, Bußen und Wohltätigkeiten, o Sohn Pṛthās, die ohne Glauben an den Höchsten ausgeführt werden, sind nicht von Dauer – ganz gleich welche Rituale auch vollzogen werden. Sie werden asat genannt und bringen sowohl in diesem als auch im nächsten Leben keinen Nutzen.

ERKLÄRUNG

Alles, was getan wird, ohne auf das transzendentale Ziel gerichtet zu sein – seien es Opfer, Wohltätigkeiten oder Bußen – ist nutzlos. Deshalb wird in diesem Vers erklärt, daß solche Aktivitäten verabscheuungswürdig sind. Alles sollte im Kṛṣṇa-Bewußtsein für den Höchsten getan werden. Ohne solchen Glauben und ohne die richtige Führung kann man niemals erfolgreich sein. Alle vedischen Schriften empfehlen, an den Höchsten zu glauben. Das endgültige Ziel, nach dem alle vedischen Anweisungen streben, besteht darin, Kṛṣṇa zu verstehen. Niemand kann Erfolg haben, ohne dieses Prinzip zu befolgen. Deshalb ist es das beste, wenn man von Anfang an unter der Führung eines echten geistigen Meisters im Kṛṣṇa-Bewußtsein handelt. Das ist der Weg, um in jeder Hinsicht erfolgreich zu sein.

Im bedingten Zustand fühlen sich die Menschen dazu hingezogen, Halbgötter, Geister oder Yakṣas wie Kuvera zu verehren. Die Erscheinungsweise der Reinheit ist besser als die Erscheinungsweisen der Leidenschaft und Unwissenheit, doch wer sich dem Kṛṣṇa-Bewußtsein direkt zuwendet, ist transzendental zu allen drei Erscheinungsweisen der materiellen Natur. Obwohl es einen Vorgang der allmählichen Erhebung gibt, ist es dennoch das beste, wenn man sich durch den Umgang mit reinen Gottgeweihten dem Kṛṣṇa-Bewußtsein direkt widmet. Dies wird in diesem Kapitel empfohlen. Um auf diesem Weg erfolgreich zu sein, muß man als erstes einen echten geistigen Meister finden und unter seiner Führung geschult werden. Nur so kann man Glauben an den Höchsten gewinnen. Wenn dieser Glaube im Laufe der Zeit heranreift, wird er Liebe zu Gott genannt.

Diese Liebe ist das endgültige Ziel der Lebewesen. Man sollte daher das Kṛṣṇa-Bewußtsein direkt annehmen. Das ist die Botschaft des Siebzehnten Kapitels.

So enden die Erklärungen Bhaktivedantas zum Siebzehnten Kapitel der
Śrīmad-Bhagavad-gītā, genannt „Die verschiedenen Arten des Glaubens“.